Auf der einen Seite liegt ein Werkzeug, ein Hammer. Auf der anderen Seite ein Spielzeug, ein bunter Holzdackel. Das Internet, sagt Moritz Becker, sei für die Erwachsenen ein Werkzeug: Sie arbeiten damit. Für Kinder und Jugendliche, erzählt er, sei das anders: Das Internet ist ein Spielzeug, mit dessen Hilfe sie chatten, spielen, Videos angucken, veröffentlichen oder Musik herunterladen können. Für die Erwachsenen ist meist Feierabend, wenn sie den Computer herunterfahren. Wenn Kinder und Jugendliche die PCs zu Hause hochfahren, eröffnet sich ihnen ein großer Freiraum.
Brechend voll war die Aula des Gymnasiums Ernestinum am Mittwochabend: Der Schulelternrat und die Polizei hatten zu Beckers Vortrag „Spuren im Internet“ geladen. Nicht nur Eltern und Lehrer waren gekommen, auch viele Kinder und Jugendliche.
Becker umriss das Thema des Abends folgendermaßen: So, wie man mit einem Hammer sich selbst oder auch andere verletzen könne, so könne man auch durch das Internet sich oder andere verletzen. „Eine Schülerin erzählte mir mal: ‚Ein blauer Fleck verheilt schnell. Aber eine seelische Verletzung bleibt.‘“
Moritz Becker ist – unter anderem – Sozialpädagoge, Eltern-Medien-Trainer und Mitarbeiter des Hannoveraner Vereins „Smiley“, der Medienkompetenz an Schulen vermittelt.
Die Schwierigkeit in der Beziehung Eltern, Kinder und Internet ist laut Becker, dass für die Älteren der Umgang mit dem Internet nicht so normal sei wie für Kinder und Jugendliche. „Dies ist die erste Elterngeneration, die etwas vermitteln muss, was ihr nicht vermittelt wurde“, so Becker – Medienkompetenz.
Denn Jugendliche zwischen acht und etwa 15 Jahren seien besonders anfällig dafür, ohne viel nachzudenken „Spuren im Internet“ zu hinterlassen und damit sich oder auch andere zu verletzen. Dahinter stecke aber in seltensten Fällen Boshaftigkeit, so Becker. Um das zu demonstrieren, kam der 14-jährige Schüler Calvin nach vorn. Er sollte an diesem Abend den durchschnittlichen Jugendlichen darstellen, der alterstypische Eigenschaften mit sich bringt: Unbekümmertheit, den Wunsch nach Aufmerksamkeit, Anerkennung, Orientierung und danach, sich auszuprobieren sowie den Willen nach Freiheit.
Eltern müssten nicht Orientierung durch Verbote geben. Filter für bestimmte Seiten brächten oft wenig, da es zahlreiche Wege gebe, die zu umgehen und nicht jugendfreies Material trotzdem im Internet zu finden. „Doch: Filter verhindern Unfälle“, so Becker. Worauf es aber wirklich ankomme, „das ist der Filter im Kopf“, plädierte er an die Eltern, ihre Kinder vor den Gefahren des Internets zu warnen und aufzuklären.
Der Wunsch eines Kindes nach Privatheit lasse sich nicht zwanghaft einfordern – „dass Kinder noch kein Bedürfnis nach Intimität haben, das ist normal“, so Becker, der selbst zwei kleine Kinder hat. Hier müssten die Eltern ihre Kinder einschätzen können.
Das Internet sei dabei auch nicht zu verteufeln – sogenannte Instant Messenger wie ICQ, MSN oder Skype seien meist Mittel, um den Alltag mit den Freunden zu organisieren, Telefone wären mehr oder weniger abgeschafft, wenn man sich mit der halben Klasse verabreden will. Das Internet könne auch Orientierung bieten, denn noch nie war es so leicht, Menschen mit den gleichen Hobbys, Musikgeschmäckern oder Problemen zu finden.
Gleichzeitig sei das Internet „wie ein riesiger Abenteuerspielplatz“, Jugendliche können hier leicht sehen, wie es – vermeintlich – um ihre Beliebtheit bestellt ist, Freunde werden gezählt, Klicks auf das eigene Video kann man Tag für Tag nachlesen.
Natürlich bestehe auch die Gefahr, dass Jugendliche – gerade die, die auf dem Schulhof kaum Beachtung fänden – die Klicks der Videos und die virtuellen Freunde in den Chatrooms den realen Freunden vorziehen – „aber vielleicht sollten wir uns dann überlegen, ob es nicht die Schuld des Schulhofs ist, der jemanden so tief im Internet verschwinden lässt“, so Becker.
Artikel aus der SZ vom 17.06.2010 – 20.35 Uhr
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