Unsere „Westtour“ starten wir an dem Ort, an dem die NS-Architektur am deutlichsten erfasst werden kann: Dem Berliner Olympiastadion. Gebaut für die Olympischen Sommerspiele 1936 verkörpert dieses Gebäude wie kein anderes den stark reduzierten, durch die Moderne geprägten Neoklassizismus. Funktionalität stand im Vordergrund dieses Objektes. Dem „NS-Charme“ kann sich auch heute kein Gast der Veranstaltungen von Hertha BSC oder dem ISTAF entziehen. Die Stadionführung thematisierte aber nicht nur den grobianischen Stil und zahlreiche Anekdoten zu Olympia 1936, der Fußball-WM 1974 oder dem CL-Finale 2017, sondern wir konnten uns sogar als echte Fußballer fühlen: Wer sonst darf in die Spielerumkleide, kann die lange Rolltreppe in die Katakomben hinunterfahren und anschließend bei Fangesang und Champions-League-Fanfare durch den Spielertunnel das, leider nicht ganz ausverkaufte, Olympiastadion betreten?
Vom sportlichen geht es zum mondänen Westen: Der Kurfürstendamm wartet auf uns, in der Weimarer Republik in Konkurrenz zum Ostboulevard “Unter den Linden” Kultur- und Vergnügungszentrum, erlitt er im Zweiten Weltkrieg erhebliche Zerstörungen durch alliierte Luftangriffe. Erst jetzt konnte der Ku’damm seine Mondänität als „Schaufenster des Westens“ entwickeln; der Kalte Krieg fand hier in Form des Wirtschaftswunders auch in den Kaufhäusern statt. Zu behaupten, der Boulevard erlebte letztmalig in den Tagen nach dem Mauerfall einen Hauch von Bedeutung, als nämlich die Ostberliner als erstes zu dieser Flaniermeile strömten, wäre wohl zu negativ. Fakt ist aber, dass sich das Zentrum Berlins ab Mitte der 1990er deutlich in den Osten verschoben hat.
Am Übergang vom Kurfürstendamm zur Tauentzienstraße befindet sich die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche. Ursprünglich im 19. Jahrhundert im neoromanischen Stil erbaut, wurde sie 1943 bei einem Luftangriff schwer beschädigt. Anstatt sie vollständig wieder aufzubauen, entschieden die Behörden, die Ruinen als Mahnmal zu belassen. In den 1950er Jahren wurde ein moderner Glockenturm, entworfen von Egon Eiermann, neben den Ruinen errichtet. Die Gedächtniskirche symbolisiert Versöhnung, Frieden und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft und zieht als eine der wenigen Sehenswürdigkeiten in Westberlin Besucher aus aller Welt an.
Nichts gegen den Westteil der Stadt, aber die Tagesbeschreibungen von gestern und heute zeigen es: die politischen, kulturellen und historischen „must-see“ liegen im Ostteil.