Mit dem Schulz Hotel am Ostbahnhof haben wir eine Unterkunft direkt an einem der wenigen Mauerreste in Berlin; der größte (1,3 Kilometer lange) Überrest befindet sich nämlich hier in Friedrichshain. Die im Prinzip unüberwindbare Grenzanlage wurde am 13. August 1961 gebaut und stoppte die seit Jahren anhaltende Massenflucht aus der DDR in die BRD. 40 Jahre lang war sie die der verkörperte “Eiserne Vorhang”, der Ost- von Westdeutschland, den Ostblock vom Westen, trennte. Nachdem es 1989 zunehmend zu Protesten (Montagsdemonstrationen) in der DDR kam, fiel die Mauer am 9.November beinahe ebenso überraschend, wie sie gebaut worden war. Das Ende der DDR war eingeläutet worden und der Grundstein für die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten war gelegt worden.
Wir wollen mehr wissen über die politische Entwicklung in der DDR und fahren daher zur Karl-Marx-Allee. Es handelt sich dabei um eine breit angelegte Prachtstraße, die stets eine wichtige Rolle in der Geschichte Ostberlins spielte. Dabei war nicht immer Marx der Namensgeber, denn bis 1961 hieß sie „Stalinallee“. Zu Ruhm kam sie in dieser Zeit durch den Arbeiteraufstand am 17.Juni 1953. Viele Arbeiter an der damaligen Baustelle der Stalinallee streikten dafür, dass z.B. die Regierung zurücktritt und freie Wahlen stattfinden können. Der Protest wurde blutig unter Einsatz von sowjetischen Panzern niedergeschlagen. Es war das Ende des öffentlichen Protestes gegen das Regime – bis 1989.
Hohenschönhausen
Diktaturen sind kreative Konstrukte. Sie müssen es sein – wie sonst sollten sie ihr Überleben sichern?
Die Gedenkstätte in Berlin-Hohenschönhausen ist ein in kaltem Stein und vergitterten Fenstern bewahrter Beweis für diese morbide Form der Kreativität. Seit 1951 nutzte das Ministerium für Staatssicherheit der DDR, MfS, das ehemalige sowjetische Straflager Genslerstraße 66 als Untersuchungshaftanstalt vornehmlich zur systematischen „Zersetzung“ von DDR-Oppositionellen.
In einem eindrücklichen, 90minütigen Rundgang unter Begleitung von Zeitzeug*innen oder Historiker*innen erfuhren wir, wie es Menschen, die in die Fänge der DDR-Staatssicherheit geraten waren, weiter erging. Von der Einlieferung im B1000, einem kleinen Transporter, über Umwege und ohne die Möglichkeit für die Verhafteten zu sehen, wo man hingebracht worden war, in den kargen Verhörraum bis in die Einzelzelle (96 der 103 Zellen waren Einzelzellen) – der Weg und seine Stationen sind heute der Öffentlichkeit zugänglich und zeugen vom Unrecht, welches im Oststaat, der sich doch als der bessere, der antifaschistische, der friedliche verstand, tagtäglich ereignete.
Die Methoden waren vielfältig – Zersetzung statt körperlicher Gewalt, Isolation statt humane Haftbedingungen, klare Vorgaben zur Schlafposition (auf dem Rücken, Hände über der Decke, Gesicht zum Türspion gewandt), Ansprache mit Zimmernummer statt mit Namen, Demütigung, Verächtlichmachung, Entfremdung von Freunden und Familien, psychische Folter. Das längste Verhör währte 41 Stunden am Stück. Und am Ende wusste man nicht mehr: wer hatte wen verraten, wem konnte man noch trauen, war man selbst zum Verräter geworden?
Ein Staat, der seine Bürger*innen einsperrt, der Angst hat vor Widerspruch und Kritik, der stets darauf bedacht ist, alles über jede*n zu wissen – und der doch auch aus einer nicht geringen Masse von Befürwortern, Unterstützern, Machern bestand. Es waren Menschen, die anderen Menschen all diese schlimme Dinge antaten. Aus ideologischer Überzeugung, vielleicht auch aus pathologisch erklärbaren Gründen. Vor allem aber, weil es der Staat und die Ideologie ihnen möglich machten.
Tränenpalast – der Name lässt auf nichts Gutes schließen. Die undurchdringlich Mauer zwischen Ost und West ließ ab 1963 zumindest kleine Öffnungen in Form der Grenzübergänge zu. In Berlin war dies der Bahnhof Friedrichstraße. Hierher ging die Reise mit dem Zug oder der S-Bahn. In der Regel waren es Tagesausflüge, die den Westdeutschen gestattet wurden, so dass die Besucher der DDR-Hauptstadt am Abend wieder in den Westen zurückkehren mussten. Die Verabschiedung von den Ostdeutschen erfolgte vor dem Betreten der Grenzanlage. Da immer ungewiss war, ob bzw. wann man sich wiedersehen konnte, flossen viele Tränen.
Mittlerweile stehen Schüler*innen bei den Führungen durch die Ausstellung „Ort der deutschen Teilung“ eher mit großen Beobachteraugen statt mit Tränen in der überschaubaren aber reich an Ausstellungsstücken versehenen Halle. Sie erleben hautnah die Zoll- und Passkontrollen und die Überwachungsmechanismen des Staates, der nicht nur die eigenen Bürger überwachte sondern insbesondere Einreisende aus dem Westen akribisch beobachtete.