Den richtigen Beruf zu finden, ein Studium zu wählen, das man nicht abbrechen wird – dieser Herausforderung müssen sich Gymnasiasten seit Einführung des Abiturs nach bereits zwölf Jahren und dem Wegfall des Zivildienstes früher denn je stellen. Das Gymnasium Ernestinum bot dafür erneut einen „Berufsinformationsabend“ an. Spezialisten unterschiedlicher Branchen, dazu auch Vertreter von lokalen Firmen wie etwa Stüken stellten sich den Schülern für Fragen zur Verfügung.
Wie groß das Bedürfnis nach Insiderinformation unter den Schülern der 10. bis 12. Jahrgangsstufen tatsächlich ist, zeigte sich an der großen Zahl der Teilnehmer dieser freiwilligen Abendveranstaltung. Etwa 150 Jugendliche und auch eine ganze Reihe Eltern kamen, um an jeweils zwei Beratungsterminen teilzunehmen, die in kurzem Abstand hintereinander folgten. Ganz oben auf der Interessenskala standen die Angebote von Polizei, Banken, Rechtsanwälten, Medizinern und der Bundeswehr. Doch auch Graphikdesign, Pharmazie, Veterinärmedizin oder die Betriebe von Lenze-Maschinenbau aus Aerzen und Bornemann-Pumpen aus Obernkirchen fanden ihre Interessenten.
Das Beratungsteam des Rintelner Unternehmens Stüken zum Beispiel traf auf zwanzig Jugendliche, zwei Mädchen auch dabei, die wissen wollten, welche Voraussetzungen sie mitbringen müssten, um als Techniker oder Vertriebsingenieur in diesem weltweit führendem Zulieferer von Präzisions-Tiefziehtechnik einsteigen zu können. Viele von ihnen konnten sich nur vage vorstellen, was genau für Produkte bei Stüken eigentlich hergestellt werden: Unter anderem, wie man an herumgereichten Teilen sehen konnte, die Metallhülsen für Zigarettenanzünder im Auto oder auch millimeterkleine Widerstandskappen aus dem Bereich der Elektronik.
Jörg Rolfes, Konstruktionsleiter bei Stüken, der sein Abitur am Ernestinum gemacht hatte, zunächst Industriemechaniker im Betrieb wurde und danach ein Ingenieursstudium absolvierte, er stellte seinen Lebenslauf nicht nur als durchaus beispielhaft dar, sondern wies auch auf unvorhersehbare individuelle Fortbildungsmöglichkeiten hin. Er habe überhaupt nicht daran gedacht, dass er die Verantwortung für die Entwicklung all der Techniken und Maschinen übernehmen würde, mit denen Stüken dann die oft wechselnden Bauteile herstellt.
Die Schüler erfuhren auch, dass der Betrieb nicht nur Mitarbeiter sucht, die im Bereich der Technik und Produktion angestellt werden (als Facharbeiter, Meister oder Techniker), sondern seine Produkte weltweit vertreibt und eine große Vertriebsabteilung besitzt. Andreas Stellmann, Vertriebsingenieur, stellte diese Berufsausrichtung vor. Interessant an seinem Lebenslauf: Er war nach dem Besuch einer Fachhochschule zunächst bei der Bundeswehr, wo er Luft- und Raumfahrttechnik studierte, dann arbeitete er jahrelang in der Luftwaffen- und Fahrzeugtechnik am Fliegerhorst Wunstorf, bis er 1995 im Vertrieb bei Stüken einstieg. „Man muss nicht unbedingt Techniker sein, wenn man sich für den Vertrieb interessiert, aber das hat rund um die Kundenberatung natürlich große Vorteile“, meinte er.
Werner Broska, Personalchef der Firma, gehört zu den wenigen Stüken-Mitarbeitern, die keine Industriemechanikerlehrer, kein Ingenieursstudium absolvierten. „Als reiner Betriebswirt bin ich da eher ein Exot“, sagte er. Man müsse allerdings nicht unbedingt Einsen in Mathematik oder Physik vorweisen, um im Rahmen eines dualen Studiums bei Stüken anfangen zu können. „Der Hunger kommt oft erst beim Essen“, so der Personalchef. „Da wir unsere Produkte selbst entwickeln, ist neben guten Noten ein ausgeprägter Teamgeist für uns sehr wichtig.“
All diese Informationen, wie sie auf ähnliche Weise auch in den anderen Beratungstreffen gegeben wurden, sollen den Schülern verdeutlichen, was ein bestimmtes Studium für ihren Berufsweg bedeuten würde. „Ich kann mir jetzt noch besser vorstellen, ein Ingenieursstudium zu beginnen“, meint etwa Jana Ackmann aus der 11. Jahrgangsstufe.
Ihre Freundin Annika Menke dagegen hat eher Bedenken bekommen. Organisator der Veranstaltung Lars Büttner sagt dazu: „Genau dafür ist diese Veranstaltung gedacht: Entweder in einer Entscheidung durch Hintergrundinformationen bestärkt zu werden oder aber zu erkennen, dass diese Wahl nicht die richtige wäre. Jede Verhinderung eines Studiums- oder Ausbildungsabbruchs ist ein Gewinn.“
Auch über Präzisions-Tiefziehtechnik und den Produktvertrieb gab es umfangreiche Informationen.
SZ-Artikel vom 30.01.2012 COK